Bildungsmentorings für Geflüchtete
Die Initiative Minderheiten führte von Oktober 2016 bis März 2019 in Kooperation mit der asylkoordination österreich das Projekt „BILDMENT – Inklusives Bildungsmentoring für Geflüchtete“ durch. Das Projekt bestand aus zwei Teilen: Zum einen wurde für die Zielgruppe von Geflüchteten ein Bildungsmentoring von einer Projektgruppe durchgeführt, die aus 15 Personen mit höherer Bildung bestand, die ebenfalls Fluchthintergrund haben. Zum anderen wurde von einer kleineren Projektgruppe (bestehend aus 5 Personen) eine Biografiearbeit mit 15 ausgewählten geflüchteten Personen durchgeführt.
Das inklusive Bildungsmentoring verfolgte das Ziel, jungen Geflüchteten mit entsprechenden Bildungsvoraussetzungen und -aspirationen den Eintritt in das tertiäre Bildungssystem in Österreich zu erleichtern. Mit 37 Mentees wurden insgesamt 74 Mentoring Treffen abgehalten, bei denen die Mentees informiert und beraten, auf ihrem Bildungsweg begleitet und bei der Überwindung von Barrieren unterstützt wurden. Die Angehörigen der Zielgruppe kamen überwiegend aus den Ländern Syrien, Afghanistan, Irak und Tschetschenien. Begleitend zu den Mentoringaktivitäten wurden an der Initiative Minderheiten vier Workshops mit den Mitgliedern der Projektgruppe durchgeführt. In diesen Workshops wurden die Mentoringtreffen vorbereitet, koordiniert und nach Abhaltung, die Ergebnisse gemeinsam reflektiert und mögliche Hilfestellungen erarbeitet.
In der Biografiearbeit wurden die Lebensgeschichten von 15 geflüchteten Personen mit dem Ziel, die Verarbeitung der durch Flucht geprägten Lebensgeschichten zu fördern und eigene Ressourcen zu verdeutlichen, erhoben und aufgezeichnet. Dieser Prozess soll zur Sicherung des Selbstwertes und Selbstvertrauens der Zielgruppe beitragen und sie auch auf ihrem Lebens- und Bildungsweg unterstützen. Die Biografiearbeit wurden an der Initiative Minderheiten durch sechs Workshops begleitet, in denen Mitglieder der Projektgruppe gemeinsam mit der Projektleitung die biografischen Arbeiten und der Durchführung vorbereiteten und die Resultate der biografischen Interviews besprachen und analysierten.
Einige der zentralen Ergebnisse waren:
1. Wichtige Barrieren und Herausforderungen, die im Mentoring thematisiert wurden:
a) Sprache (z.B. mangelnde sprachliche Voraussetzungen für das Studium; unterschiedliche Qualität der Sprachkurse, mangelndes Verständnis von Bescheiden etc.)
b) Bürokratische Hürden (z.B. fehlende Dokumente; Anerkennung/ Übersetzung von Zeugnissen; Anrechenbarkeit von im Herkunftsland absolvierten Studien/teilen etc.)
c) Finanzielle Situation (z.B. Kein Anspruch auf Studienbeihilfe oder Stipendium; Notwendigkeit neben dem Studium zu arbeiten; fehlende Arbeitsbewilligung etc.)
d) Informationsstand (z.B. Fehlende Kenntnisse des Bildungssystems und von Voraussetzungen für bestimmte Studienrichtungen; fehlendes Wissen über Anmeldeformalitäten oder Fördermöglichkeiten etc.)
e) Persönliche Situation (z.B. Frustration nach Misserfolg bei Prüfungen oder nach Ablehnung von Jobbewerbungen; Unzufriedenheit mit Bildungswegentscheidung; Angst vor Abschiebung etc.)
f) Familiäre Situation (z.B. Belastung durch die Lebenssituation der eigenen Kinder;
Probleme beim Zeitmanagement; Entscheidungsprobleme zwischen Familie, Arbeit und Studium etc.)
2. Wichtige Hilfestellung, die den Mentees durch die MentorInnen gegeben wurde:
a) Sprache (z.B. Erläuterung von Bescheiden, Recherche von Sprachkursen etc.)
b) Bürokratische Hürden (z.B. Recherche zu Nostrifizierungsmodalitäten; gemeinsames Abklären, ob Zeugnisse für Zulassung passen und Besprechen einzelner Schritte für die Zulassung; Unterstützung bei der Anmeldung auf Onlineplattformen etc.)
c) Finanzielle Situation (z.B. Gemeinsame Recherche über verschiedene finanzielle Unterstützungsmöglichkeiten)
d) Informationsstand (z.B. Weitergabe von eigenem Wissen; Unterstützungshilfe bei der Informationssuche zu Universitäten, Fachhochschulen, Anmeldungsverfahren usw.; Hinweise zu Stellen, wo Informationen eingeholt werden können und Weitergabe von Kontakten; Zurverfügungstellung von Skripten, Begleitung zu „Hotspots“ der Uni etc.)
e) Persönliche/Familiäre Situation (z.B. Anregung von Motivation und Weckung von Zuversicht nach erfahrenen Misserfolgen und Problemstellungen; Entscheidungshilfen bei der Zusammenlegung von Job und Studium; Besprechen einzelner Schritte für einen Studienwechsel oder Berufswechsel; gemeinsames Erstellen eines realistischen Zeitplans etc.)
3. Wichtige Erkenntnisse aus der Biografiearbeit mit geflüchteten Personen
Neben einer Vielzahl von Barrieren, mit denen die Befragten konfrontiert sind oder waren, machen die biografischen Falldarstellungen vielschichtige Ressourcen deutlich. Diese beinhalten persönliche Stärken, wie spezielle Lern- und Sprachbegabung, Selbständigkeit und kommunikative Kompetenzen, Eigenschaften wie Durchhaltevermögen, Willenskraft, Ehrgeiz, Selbstsicherheit, Arbeitseinsatz oder Mut, aber auch Ressourcen durch die Unterstützung familiärer und außerfamiliärer Netzwerke bzw. durch am Bildungsweg und berufliche Tätigkeiten erworbene Kompetenzen.
Mikael Luciak (Projektleitung), Ebru Uzun, Sabine Schwaighofer und Cornelia Kogoj (Team)
Foldergrafik: Reem Al Kaisy
Gefördert aus Mitteln des BMBWF