Mehrsprachigkeit in Wien historisch betrachtet
Vom 27. bis 28. November 2013 fand im Museum für Volkskunde das Symposium „Mehrsprachigkeit in Wien historisch betrachtet“ statt.
Das Symposium vollzog eine Geschichte der Mehrsprachigkeit in Wien entlang von historischen Konfliktlinien. Hinterfragt wurde unter anderem der Mythos, wonach Mehrsprachigkeit in Wien in der Habsburgerzeit ein friedliches und gleichwertiges Nebeneinander gewesen sei. Auch wenn diese Zeit als gut aufgearbeitet erscheint, so gibt es mehr Leerstellen als vermutet.
Vor dem Hintergrund der zunehmenden Globalisierung hat sich das Spektrum der in Wien gesprochenen Sprachen noch einmal erweitert. Mehrsprachigkeit wird zwar als symbolisches und soziales Kapital wertgeschätzt, gleichzeitig werden die Deutschkenntnisse zum vorrangigen Gradmesser der gesellschaftlichen Integration — und das auch nur bei bestimmten Migrant*innen.
Sprachgebrauch wird auch hier zum umkämpften Terrain, denn Sprache ist nicht nur ein Medium der Kommunikation, über Sprache werden soziale und kulturelle Differenzen verhandelt. Sprache hat sowohl eine kommunikative als auch eine sozialsymbolische Funktion. Insbesondere im Rahmen der Nationsbildung im 19. Jahrhundert gewann die Idee einer Nationalsprache für die Herstellung des gesellschaftlichen Zusammenhalts an Bedeutung. Vielfältige Anstrengungen wurden unternommen, die Sprachen der Eliten zu standardisieren und in der Bevölkerung zu verbreiten. Wie in den jeweiligen Gesellschaften mit Mehrsprachigkeit als Zeichen sozialer Ausdifferenzierung umgegangen wird, unterliegt daher politischen Aushandlungsprozessen. Nicht zufällig entzündeten sich die Nationalitätenkonflikte zur Zeit der Habsburger Monarchie oftmals an Sprachproblemen und Sprachverordnungen. Im Rahmen des Symposions wurde daher die aktuelle Debatte zur Mehrsprachigkeit mit historischen Entwicklungen und Konfliktlinien in Verbindung gebracht.
Durch alle Vorträge zog sich die Frage nach dem symbolischen Gehalt von Sprache. Denn nicht alle Sprachen sind gleichwertig. Und dies ist nicht – wie gemeinhin oft angenommen – etwas naturgegebenes, sondern ein Konstrukt, das wirtschaftlichen, kolonialen oder politischen Interessen folgt.
Der erste Tag des Symposiums standt daher unter dem Motto „Sprachpolitiken“. In den jeweiligen Vorträgen wurde versucht, die auch für die Gegenwart bedeutenden Linien von Sprachpolitiken in verschiedenen Zeiträumen zu skizzieren. Am zweiten Tag wurden historische und gegenwärtige Beispiele von Sprachkämpfen beleuchtet, die sich an konkreten Orten wie Schulen oder Verwaltungsinstitutionen abspielen bzw. abgespielt haben.
Eine Veranstaltung der Initiative Minderheiten in Kooperation mit dem Forschungszentrum für historische Minderheiten, dem Arbeitskreis Archiv der Migration, dem lernraum.wien – VHS Wien, der AK Wien und dem Österreichischen Museum für Volkskunde
Medienpartner: BUM Media
Wladimir Fischer, Vlatka Frketić, Cornelia Kogoj und Regina Wonisch (Programmkuratierung), Helga Kovrigar (Administration) und Sabine Schwaighofer (Finanzen)
Gefördert aus Mitteln der MA 17 – Integration und Diversität – Stadt Wien
Grafische Gestaltung: Beatrix Bakondy