Ausstellung: Gastarbajteri. 40 Jahre Arbeitsmigration

Das Raab-Olah-Abkommen von 1961 zwischen der Wirtschaftskammer und dem Gewerkschaftsbund legte den Grundstein für die Zulassung ausländischer Arbeitskräfte zum österreichischen Arbeitsmarkt. Die jährlich nach Branchen festzulegenden Kontingente sollten die Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer*innen ermöglichen. Die Wirtschaftskammer gründete noch im selben Jahr die Arbeitsgemeinschaft für die Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte. Es folgten Anwerbeabkommen mit Spanien (1962), der Türkei (1964) und Jugoslawien (1966) und die Errichtung von Anwerbekommissionen in Madrid, İstanbul und Belgrad.

Der erste Bustransport nach Österreich, 1971. Aus der Station „Anwerbestelle Narmanlı Han 1964“ von Dilman Muradoğlu und Gamze Ongan. © Hürriyet, İstanbul

Im Jahr 2004 gestaltete die Initiative Minderheiten gemeinsam mit gangart, dem Wien Museum einem Recherche- und Autor*innenteam die Ausstellung Gastarbajteri. 40 Jahre Arbeitsmigration, die erstmals die Geschichte aus der Perspektive der Betroffenen, der sog. Gastarbeiter zeigte. Mittels Archivrecherchen, Zeitzeug*inneninterviews und einer Timeline wurden elf Orte beleuchtet, die exemplarisch für diese Zeit standen. 

Die Ausstellung war vom 22. Jänner bis 11. April 2004 im Wien Museum und in der Hauptbücherei Wien zu sehen.

Ausstellung: Wien Museum

Elf Orte beleuchtete die Ausstellung im Wien Museum: die 1964 von der Österreichischen Wirtschaftskammer errichteten Anwerbestelle in Istanbul von Gamze Ongan und Dilman Muradoğlu, die sogenannte Gastarbeiterroute von Peter Payer die Arbeitersiedlung Walddörfl in Ternitz von Arif Akkılıç, oder die Fischfabrik Warhanek von Vida Bakondy, die eine der ersten legalen Beschäftigungsmöglichkeiten für Migrantinnen bot. Weitere Ausstellungsstationen waren:  Adatepe, ein kleines Dorf in der Westtürkei, aus dem mehr als die Hälfte der Einwohner*innen nach Österreich emigrierten und wohin 1994 die ersten Pensionist*innen zurückgekehrt sind von Gamze Ongan und Dilman Muradoğlu, der Mexikoplatz von Hanna Esezobor der Ägyptische Club von Thomas Schmidinger, die Lokalzeile am Naschmarkt von Sylvia Mattl-Wurm und der islamische Friedhof in Wien von Thomas Schmidinger waren ebensolche Orte dieser Geschichte, wie die Fremdenpolizei am Hernalser Gürtel von Renée Winter und der Demonstrations-Treffpunkt vor der Wiener Oper von Ljubomir Bratić und Arif Akkılıç, an dem 1993 verschiedene Migrant*innengruppen gegen das damalige Aufenthaltsgesetz demonstrierten. Zudem wurde eine Timeline von August Gächter erstellt.

Idee: Cemalettin Efe und Andrea Jantschko

Team: Cornelia Kogoj und Sylvia Mattl-Wurm (Kurator*innen), Simonetta Ferfoglia und Heinrich Pichler von gangart (Künstlerische Konzeption und Gestaltung), Gamze Ongan (Rechercheleitung),  Thomas Schmidinger (Recherchekoordination)

Ausstellungsrecherche- und autor*innen: Arif Akkılıç, Vida Bakondy, Ljubomir Bratić, Hanna Esezobor, Sylvia Mattl-Wurm Dilman Muradoğlu, Gamze Ongan, Peter Payer, Thomas Schmidinger und Renée Winter

Vermittlung: Büro trafo.K (Nora Sternfeld, Renate Höllwart, Elke Smodics), Arif Akkılıç und Ljubomir Bratić

Virtuelle Ausstellung

Gesamtes Team Wien Museum

Ausstellung: Hauptbücherei Wien

„Vater und ich“ von Mehmet Emir. Hauptbücherei am Gürtel. © Mehmet Emir

Im zweiten Teil des Ausstellungsprojekts lag der Fokus auf dem Thema Medien und Migration.

So veranschaulichte das private Archiv österreichischer und türkischer Zeitungen von Ali Gedik mediale Diskurse über Migrationsprozesse, Migrationspolitik und ihre AdressatInnen. Der Nutzung elektronischer Medien in transnationalen Kontakten ist das dokumentarische Video Telekommunikation Wien-Jemen und anderswo gewidmet. Sprache als Medium der Ausgrenzung und nationaler Identität ist im Zentrum von Fatih Aydoğdus Soundscape Speech. Die Installation von Şule Attems beschäftigt sich mit der Erfahrung von Fremdheit und ihrer Reflexion in Briefen. Anna Kowalskas Arbeit thematisiert die filmische Konstruktion von Wirklichkeit am Beispiel des Drehortes von Polanskis Film „Der Pianist“ in Warschau. Unterschiedliche Interpretationen der Lebenswelt von Hidir Emir, der als einer der ersten „Gastarbeiter“ aus der Türkei nach Wien migriert ist, bietet der fotografische Zyklus Vater und ich von Mehmet Emir. Lebensrealitäten und Standpunkte von Jugendlichen zeigt das Videoarchiv von dezentrale medien. Hubert Lobnigs Video und Fotografien interpretieren das Archiv des Sammlers Sivomir, der die vielfältigen Abfälle einer Mediengesellschaft verarbeitet. Ein Videoarchiv zur Situation von Jugendlichen gestalteten das Team von dezentrale medien. Ausgesuchte Medien der Büchereien Wien zum Thema der Ausstellung – Fachliteratur und Belletristik – stehen in markierten Lesezonen zur Verfügung (Auszüge der Arbeiten aus einer Kooperation mit museum in progress und Der Standard).

Team: Martina Böse und Cornelia Kogoj (Kurator*innen), Şule Attem, Fatih Aydoğdu, Martina Böse, dezentrale medien, Mehmet Emir, Ali Gedik, Anna Kowalska, Hubert Lobnig (Ausstellungsbeiträge). Gesamtes Team Hauptbücherei

Im Rahmen von „Gastarbajteri“ fand weiters die Filmreihe MigrantInnen im Film im Filmarchiv Austria statt, sowie der filmische Ausstellungsbeitrag Phantom fremdes Wien von Lisl Ponger.

Ausstellungsdauer: 22. Jänner – 11. April 2004

Ausstellungsansichten Wien Museum
Ausstellungsansicht Wien Museum, 2004

© Alle Fotos: gangart

Ausstellungsansichten Hauptbücherei


© Alle Fotos: gangart