Tagung der Minderheiten
Die vom 8. bis 10. Dezember 1994 gemeinsam mit der Gesellschaft für politische Aufklärung im Wiener Don-Bosco-Haus veranstaltete „Tagung der Minderheiten“ war ein wichtiger Schritt zur Umsetzung der von der Initiative Minderheiten propagierten Koalition zwischen den unterschiedlichen Minderheitengruppen.
„Die Absender der Briefbomben unterscheiden nicht zwischen autochtonen und neuen Minderheiten; Aggressionen richten sich auch gegen Homosexuelle und Behinderte“, beschrieb die langjährige Obfrau der Initiative Minderheiten, Ursula Hemetek, in ihrer Eröffnungsrede das damalige politische Klima, das ein Bündnis zwischen Minderheiten sinnvoll und erforderlich machte.
Auf die Aussage des auf der Tagung anwesenden damaligen Vizekanzlers und Unterrichtsministers Erhard Busek, dass eine gebündelte Vorgehensweise der Minderheiten die politische Effizienz verlangsame, antwortete Franjo Schruiff (später langjähriges Vorstandsmitglied der Initiative Minderheiten):
„Mag sein, dass wir gebündelt langsamer vorankommen, aber so sind wir auch schwerer aufzuhalten.“
Im Einleitungsreferat sprach die Innsbrucker Historikerin und Politologin und langjähriges Vorstandsmitglied der Initiative Minderheiten, Erika Thurner, erstmals von der Gemeinsamkeit aber auch von den Unterschieden der einzelnen Gruppen und lieferte damit die Grundlage für die Minderheitendefinition der Initiative Minderheiten:
„Der kleinste gemeinsame Nenner – Abweichung oder Verstöße gegen eine als normativ gesetzte (und mit Macht ausgestattete) Mehrheit – schuf und schafft Gemeinsamkeiten (z.B. Ausschluß von Rechten und politischer Macht, von Privilegien, Benachteiligungen in den zentralen Lebensbereichen). Dennoch weist der historische Verlauf bei den unterschiedlichen ‚Gruppen‘ entsprechend unterschiedliche Ausformungen auf.“
Im Kontext dieser Tagung prägte der spätere Stimme-Chefredakteur und heutiges Vorstandsmitglied Hakan Gürses den Begriff der minoritären Allianzen.
In sieben Arbeitskreisen zu den Themen Antidiskriminierungsgesetz, Medien, Kulturveranstaltungen und Öffentlichkeitsarbeit, Arbeitswelt, Europäische Integration und Identität diskutierten die Teilnehmer*innen Fragen, die alle minorisierte Gruppen in gleicher Weise betreffen und deren Strategien zur Umsetzung.
Der Arbeitskreis „Bildungsinstitutionen“ wurde von unserem jetzigen Obmann, dem Bildungswissenschaftler Vladimir Wakounig , geleitet. In der darauffolgenden Stimme Ausgabe (14/1995) zum Thema „Mikrokosmos Schule“ ist sein Impulsreferat Minderheiten und Bildungssituationen. Wo beginnt die Ghetto-Kultur? nachzulesen.
Anm.: Alle übrigen Zitate stammen aus der Stimme Nr. 13/1994, Themenschwerpunktheft zur „Tagung der Minderheiten“.