STIMME: #128/2023 Konstruktiv Streiten
Identitätspolitik und Bündnisarbeit
Konstruktiv streiten
Im Rahmen eines Symposiums mit dem Titel „Minoritäre Allianzen in Zeiten der Identitätspolitik“ diskutierte die Initiative Minderheiten im November 2022 aktuelle Konflikte um Identität und Erinnerungskultur. Anhand von Keynote-Lectures und Diskussionspanels mit Repräsentant*innen minorisierter Gruppen wurde das Konzept der Minoritären Allianz im Lichte aktueller identitätspolitischer Diskurse einer Kritik unterzogen.
Mit einem Jahr Abstand greifen wir nun das Thema, das nichts an Aktualität eingebüßt hat, wieder auf. In unserer Herbstausgabe finden Sie eine Nachlese mit ausgewählten Schwerpunkten des Symposiums und ergänzenden Beiträgen.
Einleitend lesen Sie die überarbeitete Keynote von Hakan Gürses zur Geschichte des politischen Konzepts „Minoritäre Allianz“, das er vor 30 Jahren für die Initiative Minderheiten ausgearbeitet hat.
Gudrun Perko und Leah Carola Czollek vom Institut „Social Justice und Radical Diversity” entwickelten das Konzept des Verbündet-Seins als spezifische Form der Solidarität. Gemeinsam mit Kelly Laubinger, Vorsitzende der Bundesvereinigung der Sinti und Roma in Deutschland, diskutieren sie Strategien zur Überschreitung von Identitätspolitiken.
Vermeintlich natürliches versus vermeintlich unmögliches Frausein: Die Essayistin und psychosoziale Beraterin Daria Kinga Majewski zeichnet in ihrem Beitrag nach, dass der Konflikt um die Frage, wer und was eine Frau sei, gar nicht so neu ist.
Der Sammelband Frenemies. Antisemitismus, Rassismus und ihre Kritiker*innen bildete für uns den Referenzrahmen in der Symposiumsvorbereitung. Nun hat Jessica Beer mit der Mitherausgeberin Sina Arnold, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum für Antisemitismusforschung der TU Berlin, über den konfliktgeladenen Entstehungsprozess des Bandes und die Notwendigkeit intersektionaler Solidarität gesprochen.
Mit der Dichotomie „BIPoC“ und „weiß“ und ihren Platz als weiße Jüd*in zwischen diesen Kategorien beschäftigt sich die Autorin und Körperkünstlerin Debora Antmann.
Abschließend bedauert Ana Grilc, Vorstandsmitglied des Klubs slowenischer Student*innen in Wien, in ihrem Beitrag die Unmöglichkeit der Allianzenbildung gegen Rechts aufgrund der Spaltung Kärntner slowenischer Vertretungsorganisationen.
Nach dem ersten Durchlauf in Oberösterreich kommt das Kunstprojekt Stimm*Raum diesmal nach Wien. Die Mitbegründerin Maynat Kurbanova zeichnet den Entwicklungsprozess eines Theaterstücks nach, das Jugendliche tschetschenischer Herkunft auf die Beine gestellt haben.
HOSI Wien benennt ihre Vereinsbibliothek nach Ruth Maier. Petra M. Springer verfasste ein Porträt über die „österreichischen Anne Frank“, wie Maier aufgrund ihrer Tagebücher im norwegischen Exil auch genannt wird.
In eigener Sache
Die Initiative Minderheiten freut sich über eine weitere Ehrung einer Person aus ihrer Mitte. Im Juni 2023 wurde unserer Kollegin Gamze Ongan, Chefredakteurin der Stimme, das Goldene Verdienstzeichen des Landes Wien verliehen. Sabine Strasser, langjährige Weggefährtin der Initiative Minderheiten, hielt die Laudatio (Seite 27 –28).
Am 3. Dezember 1993 detonierten die ersten Briefbomben, denen weitere zwei Dutzend folgen sollten, in den Händen der ORF-Moderatorin Silvana Meixner und des Hartberger Pfarrers August Janisch. Beide wurden schwer verletzt.
Der rechte Terror gegen Minderheiten und ihre Unterstützer*innen sollte mit Unterbrechungen vier Jahre lang dauern und erreichte seinen entsetzlichen Höhepunkt im Februar 1995 mit der Ermordung von vier Roma durch eine Rohrbombe in Oberwart.
30 Jahre nach den größten innenpolitischen Gewalttaten der Zweiten Republik arbeitet die Initiative Minderheiten an einer dokumentarischen Wanderausstellung. Der Arbeitstitel lautet: „Feindbild Minderheiten: vom Briefbombenterror der 1990er Jahre bis zur Gegenwart“. Die Auftaktveranstaltung zur Ausstellung findet am 4. Dezember 2023 im Volkskundemuseum in Wien statt (siehe auch Seite 35).
Ein schönes Spätjahr wünscht
Ihre Stimme-Redaktion
Kritik und Kultur – von Hakan Gürses
Lektüre: Mit mehreren Sprachen aufwachsen – von Lydia Novak
Musik: Ayna, das neue Album von Özlem Bulut – von Hakan Gürses
Nachlese: Im Schatten des Regenbogens – von Lilian Häge
Gestaltung: Fatih Aydoğdu
Lektorat: Daniel Müller www.syntext.at
Aboservice: abo(at)initiative.minderheiten.at
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Fördergeber*innen: Kulturabteilung der Stadt Wien (MA 7), Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlicher Dienst und Sport (BMKÖS), Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung (BMBWF), Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, Zukunftsfonds der Republik Österreich, Land Kärnten Kultur, Kulturabteilung Burgenland, Land Tirol