Stellungnahme der Initiative Minderheiten zur Regierungsprogramm 2020 – 2024 bzgl. der Volksgruppen

Eine knappe Seite wird den Volksgruppen im neuen Regierungsübereinkommen gewidmet, die die Agenden für die sechs gesetzlich anerkannten Minderheiten (Slowen*innen, Burgenlandkroat*innen, Ungar*innen, Tschech*innen und Slowak*innen sowie Roma und Sinti) umfasst.

Begrüßenswert, da sie allen Minderheiten zugutekommt, ist das Bekenntnis zur Erhöhung einer Volksgruppenförderung, die eine der langjährigen Kernforderungen der Volksgruppenbeiräte darstellte. Diese wurde seit 25 Jahren nicht mehr erhöht und stagniert bei vier Millionen. Erfreulich ist auch die Tatsache, dass es ein Bekenntnis zur stärkeren Sichtbarmachung der Volksgruppen im ORF gibt.

Im zweisprachigen Unterrichtswesen sieht der Bildungswissenschafter und Obmann der Initiative Minderheiten, Vladimir Wakounig, jedoch Handlungsbedarf. Die Förderung der
zwei- und mehrsprachigen Kindergärten und Schulen wird zwar explizit genannt, daraus lässt sich allerdings nicht ableiten, wie man „wirkungsorientiert die Qualität des zweisprachigen Unterrichts erhöhen kann“. „Es ist schön und gut“, so Wakounig, „wenn die zweisprachige Bezirksgerichtsbarkeit abgesichert wird. Aber wenn Personen im Laufe ihrer zweisprachigen Ausbildung nicht ausreichend Kompetenzen in Minderheitensprachen erwerben können, um sie bei Gerichten und Ämtern anzuwenden, ist dies eher eine symbolische Geste.“ Wakounig plädiert daher im Minderheitenschulwesen für Schulversuche, mit denen ein qualitativ hochwertiger zweisprachiger Unterricht gefördert werden kann. Ebenso müsste auch in der Lehrer*innenausbildung die sprachliche Kompetenz der künftigen zweisprachigen Lehrer*innen in Minderheitensprachen deutlich verbessert werden; z.B. durch einen entsprechenden verpflichtenden längeren Auslandsaufenthalt.

Weniger Beachtung im Regierungsübereinkommen finden allerdings die Interessen der Gruppe der Roma/Romnja und Sinti/Sintizze. Diese werden nicht im selben Ausmaß von den in Aussicht gestellten Neuerungen profitieren. So vermisst die stellvertretende Vorsitzende des Beirates der Roma in Österreich, Mirjam Karoly, ein klares Bekenntnis zu antiziganistischen Sensibilisierungsmaßnahmen, um damit Marginalisierung und gesellschaftlichen Ausschluss von Roma effektiv bekämpfen zu können. „Österreich hat ja eine internationale Konferenz zu Bekämpfung von Antiziganismus unter Österreichischer EU-Ratspräsidentschaft organisiert und dabei wichtige Empfehlungen erarbeitet. Ebenso fehlen Maßnahmen“, so Karoly, „zur Herstellung von Chancengleichheit in den Bereichen Bildung, Arbeit, Wohnen und Gesundheit. 2020 wird die Fortführung des EU-Rahmens diskutiert. Es wäre daher wichtig, dass auch die neue Regierung ihre Unterstützung für die Fortführung der Umsetzung der Strategie zur Inklusion der Roma in Österreich unterstreicht.“

Als sehr erfreulich sehen aber sowohl Wakounig als auch Karoly den Punkt an, dass eine Prüfung der Anerkennung der Jenischen angestrebt wird. Wirklich messen lassen wird sich dieses auf den ersten Blick – vor allem für die Kärntner Slowen*innen und Burgenlandkroat*innen – sehr ambitionierte Programm allerdings erst daran, wenn die angeführten Punkte wirklich (wie es im Übereinkommen heißt) „zeitnah“ umgesetzt werden.