Ausstellung: „Man will uns ans Leben“ | Bomben gegen Minderheiten 1993–1996

Noch bis zum 24. November 2024 im kärnten.museum in Klagenfurt

Eröffnung: 19. September 2024, 18.00 Uhr

Ausstellungsrezension im Wien Museum Magazin von Peter Stuiber: Explosive Mischung. Bomben gegen Minderheiten

Das Begleitheft zur Ausstellung hier zum Downloaden

Laufzeit:
24. 04. – 25. 08. 2024 | Volkskundemuseum Wien
19. 09. – 24. 11. 2024 | kärnten.museum, Klagenfurt
07. 02. – 20. 03. 2025 | Offenes Haus Oberwart, OHO

Eintritt frei!

Ausstellung „Man will uns ans Leben“ Bomben gegen Minderheiten 1993–1996. Alle Fotos: Kollektiv Fischka / Kramar © Volkskundemuseum Wien


Die Ausstellung handelt vom größten Fall rechtsterroristischer Gewalt im Österreich der Zweiten Republik. In den Jahren 1993 bis 1996 erschütterte eine Anschlagserie mit Briefbomben und Sprengfallen das Land. Die Attentate hatten vor allem Minderheiten und ihre Unterstützer*innen im Visier. Eine umfassende historische Aufarbeitung der Terrorwelle und ihrer Folgen hat bis heute nicht stattgefunden.

Zwischen den Jahren 1993 und 1996 erhielten in ganz Österreich insgesamt 25 Personen und Organisationen explosive Post. Im gleichen Zeitraum detonierten in Kärnten und im Burgenland drei Spreng- bzw. Rohrbomben. Die Anschläge hatten vier Tote, vier lebensgefährlich Verletzte und neun Verletzte zur Folge.

Der Terror adressierte ausschließlich Minderheitenangehörige und ihre Unterstützer*innen. Der folgenschwerste Anschlag fand im Februar 1995 im burgenländischen Oberwart statt, bei dem vier Roma-Angehörige einer Sprengfalle zum Opfer fielen. Josef Simon, Karl Horvath, Erwin Horvath und Peter Sarközi starben durch eine Explosion, als sie eine Tafel mit der Inschrift „Roma zurück nach Indien!“ entfernen wollten.

Obwohl die Auswahl der Adressat*innen bald auf Urheber aus dem rechten Eck schließen ließ, gestalteten sich die Ermittlungen sehr langwierig und nahmen erst im Herbst 1997 zufällig ein Ende. Bei einer Verkehrskontrolle im südsteirischen Gralla zündete der angehaltene 48jährige Vermessungstechniker Franz Fuchs einen Sprengkörper, der ihm beide Hände abriss.

In welchem ideologischen und politischen Umfeld ereigneten sich die Terroranschläge? Inwiefern hatte die Denkwelt des schlussendlich verurteilten Einzeltäters mit der rechten Stimmungsmache Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre in Österreich zu tun? Etwa mit dem Anti-Ausländer-Volksbegehren der FPÖ und mit der menschenverachtenden Sprache, die von Stammtischen in die Politik überschwappte?

Die vier Jahre andauernde Terrorwelle der „Bajuwarischen Befreiungsarmee“, wie sich die Urheber der Bombenserien in ihren Pamphleten bezeichneten, nahm Aspekte des aktuellen Rechtsterrorismus vorweg. Nicht nur in der Wahl der Opfer, auch die Inhalte der seitenlangen anonymen Bekennerbriefe von damals, die „Fremdherrschaft“, „Invasion“ und „Bevölkerungsaustausch“ anklagen, wiederholen sich heute in einschlägigen Hasspostings im Internet sowie in politischen Programmen rechter Parteien und Gruppen.

Die Ausstellung der Initiative Minderheiten erinnert an den Schrecken der Bomben und die Angst, die Österreichs Minderheiten vier Jahre lang begleitete. Sie gedenkt der Opfer, lässt Betroffene zu Wort kommen und dokumentiert den politischen und medialen Umgang mit der Terrorwelle. Anhand von historischen Dokumenten, Fotografien und medialer Berichterstattung wird zeitgeschichtliches Wissen über die Jahre des innenpolitischen Terrors vermittelt und die Rolle des politischen Klimas in der Zeit der Gewalttaten beleuchtet. Neun Videos mit Zeitzeug*innen und Expert*innen kommentieren Facetten der Geschehnisse aus unterschiedlichen Blickwinkeln.

Rechtsextremismus ist keine Randerscheinung mehr. Die menschenverachtende Propaganda findet bis in die sogenannte Mitte der Gesellschaft Anklang. Als harmloser Protest getarnt, greift sie in gesellschaftliche Debatten ein. Der Übergang von rechtsextremem Gedankengut zu rechtsextremistischem Terror, von verbalen Angriffen zu physischer Gewalt ist fließend. Davon zeugt nicht nur die Geschichte des Brief- und Rohrbombenterrors der 1990er Jahre. Das Thema ist brennend aktuell.

PRESSEDOWNLOAD

BEGLEITPROGRAMM

Beitrag in der STIMME 129/2023: Bomben gegen Minderheiten


Tatortreinigung Oberwart, 6. 2. 1995, Foto: Christian Fischer.

Umschlag einer nicht explodierten Briefbombe, BMI / Direktion für Spezialeinheiten, Foto: Robert Newald.

Auszug aus dem Bekennerschreiben der „Bajuwarischen Befreiungsarmee“ an den slowenischen Außenminister Lojze Peterle vom 8. 9. 1994.

  • Idee: Gamze Ongan
  • Kuratorinnen: Vida Bakondy, Cornelia Kogoj, Gamze Ongan
  • Ausstellungsgestaltung: koerdtutech (Irina Koerdt, Sanja Utech)
  • Grafik: Larissa Cerny, Martin Embacher
  • Lektorat: Daniel Müller
  • Ausstellungsvideos: Miriam Bajtala
  • Kamera: Marianne Andrea Borowiec
  • Ton: Andreas Hamza
  • Protagonist*innen Videos: John Eberhardt, Josef Haslinger, Ursula Hemetek, Silvana Meixner, Joža Messner, Tina Nardai, Andreas Peham, Terezija Stoisits, Armin Thurnher
  • Programmleitung Volkskundemuseum: Herbert Justnik
  • Produktion: Lena Flatscher
  • Technik: Patrick Widhofner-Schmidt, Paul Stöttinger
  • Montage: Dominic Röhl, Till Schmidt
  • Kommunikation: Johanna Amlinger, Gesine Stern
  • Vermittlung: Katrin Prankl, Katharina Richter-Kovarik
  • Leitung Vermittlungsprojekt mit Schulklassen: Melinda Tamás
  • Zeitungsrecherche Klagenfurt/Celovec: Luka Olip
  • Übersetzungen: Dominik Krištof, Lydia Novak
  • Zusammenschnitt ORF Archivmaterial: Nils Olger
  • Zusammenschnitt Audio Archivmaterial: Maike Cram, Lilian Häge
  • Finanzen: Sabine Schwaighofer
  • Administration: Ebru Uzun

Eine Ausstellung der Initiative Minderheiten in Kooperation mit dem Volkskundemuseum Wien, dem kärnten.museum und dem Offenen Haus Oberwart (OHO)

Weitere Kooperationspartner*innen: Roma Volkshochschule Burgenland, Roma-Pastoral der Diözese Eisenstadt, Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes, Hrvatski akademski klub/Kroatischer akademischer Klub, Klub slovenskih študentk*študentov na Dunaju/ Klub slowenischer Student*innen in Wien

Die Ausstellung wird gefördert aus Mitteln des Sozialministeriums

Zusätzliche Förderungen: Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport (Videos) und Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kunst (Rahmenprogramm)


Einblicke in die Dreharbeiten der Ausstellungsvideos vom 29. bis zum 31. Jänner 2024

Tina Nardai, Journalistin. Erlebte den Rohrbombenanschlag in Oberwart im Februar 1995 als Elfjähriges Kind.
Armin Thurnher, Journalist und Publizist.
Terezija Stoisits, ehem. Politikerin und Volksanwältin. Adressatin einer Briefbombe im Dezember 1993
Josef Haslinger, Schriftsteller und Mitbegründer von SOS Mitmensch
Ursula Hemetek, Ethnomusikologin und Mitbegründerin der Initiative Minderheiten
John Eberhardt, Entschärfungsdienst Innenministerium. Er war damals bei allen Bombenanschlägen als Entschärfer dabei.
Silvana Meixner, Journalistin, ehem. Moderatorin der ORF-Minderheitenredaktion. Wurde im Dezember 1993 durch eine Briefbombe schwer verletzt.
Joža Messner, Mitinitiator der zweisprachigen öffentlichen Volksschule in Klagenfurt / Javna dvojezična ljudska šola v Celovcu
Andreas Peham, Rechtsextremismusexperte, DÖW
(Alle Fotos: Miriam Bajtala und Sabine Schwaighofer)