Die Initiative Minderheiten – Relevanz für die Erwachsenenbildung

Wissensvermittlung
Die Arbeit der Initiative Minderheiten zielt Zeit ihres Bestehens darauf ab, das öffentliche Bewusstsein für minderheitenrelevante Themen durch Wissensvermittlung zu sensibilisieren. Versucht wird, minderheiten- und demokratiepolitische Inhalte sowohl an Mehrheits- als auch Minderheitenangehörige weiterzugeben. Mit Hilfe von Tagungen, Sommerhochschulen, Workshops, Mentoring-Programmen, einem mobilen Kinoprogramm und Ausstellungen werden sowohl aktuelle als auch historische Zusammenhänge anschaulich aufbereitet und versucht – nicht zuletzt aufgrund unserer unterschiedlichen Kooperationspartner*innen – spezifische Zielgruppen zu erreichen. So ermöglichte etwa die Tagung „Flucht und Bildung“ (am Institut für Bildungswissenschaften an der Universität Wien, 2017) einen umfassenden Erfahrungsaustausch zwischen geflüchteten Personen in Bildungsmaßnahmen, Studierenden, Lehrenden, sowie Bildungsverantwortlichen und Mitarbeiter*innen verschiedener Bildungseinrichtungen. Das Wanderkino als Bildungsinstitution in ländlichen Räumen war das Vorbild für das mobile „Fluchtkino“ (2016/17), das nach den großen Fluchtbewegungen in den Jahren 2015 und 2026 einen Austausch zwischen Einheimischen und Geflüchteten in kleinen Kärntner Dörfern und Städten geboten hat. Eine anschauliche Darstellung aktueller minderheitenrelevanter Themen und Diskurse verfolgt unsere vierteljährlich in einer Auflage von 3.500 Stück erscheinende „Zeitschrift Stimme“, deren virtuelles Archiv von Studierenden, Lehrenden und Community-Angehörigen herangezogen werden kann. Diesem Anspruch wird auch das 14-tägig auf Radio Orange, sowie auf allen anderen freien Radios ausgestrahlte Programm von „Radio Stimme“ gerecht. Das politische Journal der Initiative Minderheiten wurde mehrmals für den österreichischen Radiopreis der Erwachsenenbildung nominiert und ausgezeichnet – darunter in der Kategorie der besten Sendereihe: Die Redaktion von Radio Stimme wurde bereits mehrfach mit dem Radiopreis der Erwachsenenbildung ausgezeichnet. So erhielt Radio Stimme beispielsweise 2005 den Preis für den Beitrag „Das Gedenk-/Dank-/Gedanken-Jahr 2005“ und 2007 für „Erkennen Sie die blassrote Handschrift?“. 2013 wurde die Redaktion für die Beitragsserie „Radio Stimme Straßenbefragung“nominiert.
Stärkung
Durch die Weitergabe von Wissen über minderheiten- und demokratiepolitische Zusammenhänge sollen Minderheitengruppen dahingehend gestärkt und ermutigt werden, sich für ihre Rechte zu engagieren. Auch wenn es Drittstaatsangehörigen aufgrund der fehlenden österreichischen Staatsbürgerschaft nicht möglich ist, über Wahlen mitzubestimmen, so verfügen auch diese über Mittel, um ihre Interessen durchsetzen zu können. Das Ausstellungsprojekt „Was wir fordern! Minderheitenbewegungen in Österreich“ (seit 2018) sowie das gleichnamige Webprojekt setzen genau hier an. Gezeigt wird unter anderem wie und mit welchen demokratischen Mitteln es gelungen ist, positive Veränderungen durchzusetzen. Das Projekt zeigt die meist langwierigen und ausdauernden Kämpfe gegen Diskriminierung, für gleiche Rechte und für die gleichberechtigte Teilhabe an einer Gemeinschaft. So sind die Kämpfe um zweisprachige Ortstafeln und Schulen in Kärnten, für die Anerkennung von Roma und Sinti als österreichische Volksgruppe, die Abschaffung des § 209 StGB, die Verabschiedung der UN-Behindertenrechtskonvention, oder für ein Betriebswahlrecht von Drittstaatsangehörigen von den Betroffenen selbst erkämpft worden.
Um bildungsbenachteiligte Gruppen auf ihrem Weg zu höherer Bildung zu unterstützen und zu stärken, bieten wir seit 2016 Mentoringprogramme mit und für Migrant*innen und Geflüchtete an. Durch die entwickelten Maßnahmen soll ein gleicher Zugang zum lebenslangen Lernen ermöglicht werden. Bei diesen Projekten geht es – wie in den Zielen der Initiative Erwachsenenbildung formuliert – letztlich darum, „allen Menschen eine chancengerechte Teilhabe an der Wissensgesellschaft zu ermöglichen und jede Einzelne bzw. jeden Einzelnen zu befähigen, die Veränderungsprozesse des eigenen Lebensumfeldes aktiv mitzugestalten“ und dies unabhängig von sozialer und ethnischer Herkunft, Behinderung, sexueller Orientierung und Ausbildung.
Beteiligung
Die Initiative Minderheiten wurde 1991 von Minderheiten- und Mehrheitsangehörigen gegründet, um sich über ihre jeweiligen Communities hinweg auszutauschen und gemeinsam eine „Politik der Minderheiten“ zu proklamieren. Der Vorstand und das Büro entsprechen daher auch einer diversen Zusammensetzung. Diese spiegelt sich auch in unseren Projekten wider, die mit der Beteiligung der von Diskriminierung Betroffenen durchgeführt werden. Wie etwa in den inklusiv angelegten Bildungsprojekten „ROMBAS – Roma Bildungs- und Ausbildungsstudie“ (2010-2016) und „PEERMENT – Mentoring und Biografiearbeit“ (2019-2021), in denen Roma und Sinti bzw. Personen mit Fluchthintergrund eine aktive Rolle spielen. Des Weiteren hatten wir den Anspruch im Rahmen unserer Ausstellungsprojekte „Gastarbajteri. 40 Jahre Arbeitsmigration“ (Wien Museum und Hauptbücherei Wien, 2004) und „Romane Thana. Orte der Roma und Sinti“ (Wien Museum, 2015) diese MIT den jeweiligen Gruppen zu erarbeiten und keine Geschichte ÜBER diese zu erzählen. Der aus der Behindertenbewegung stammende Ansatz „Nichts über uns ohne uns“, gilt auch für die Arbeit der Initiative Minderheiten.
Anerkennung
Anfang der 2000er Jahre wurde die Frage nach der Bedeutung der Arbeitsmigrant*innen für die österreichische Gesellschaft noch wenig bis gar nicht thematisiert. Für uns wurde diese jedoch zu einer der Ausgangsfragen für die Konzeption der Ausstellung „Gastarbajteri. 40 Jahre Arbeitsmigration“. Eine Ausstellung, in der vor allem jene Anerkennung erfahren sollten, die maßgeblich zum Aufstieg Österreichs zu einer Wohlstandsgesellschaft beigetragen haben. Um ein Signal zu setzen, wählten wir mit dem Wien Museum eine große, offizielle Ausstellungs- und Bildungsinstitution. Das Museum wurde in Folge das erste Mal in diesem Ausmaß nicht nur von klassischen Museumsbesucher*innen frequentiert, sondern auch von sog. „bildungsfernen Schichten“. Jetzt, mehr als 15 Jahre danach, versuchen mittlerweile die meisten Museen und Ausstellungshäuser mit ihren Vermittlungsprogrammen gerade diese Gruppen zu erreichen. Mit ähnlichen Methoden arbeiteten wir später auch an den beiden Ausstellungen „Romane Thana“ und „Nach der Flucht. Aus Ex-Jugoslawien nach Wien – Geschichten von Geflüchteten in den 1990er Jahren“ (Hauptbücherei Wien, 2020). Durch die aktive Beteiligung der jeweiligen Gruppe erfolgte auch eine Würdigung deren Geschichte als Teil der Wiener bzw. österreichischen Geschichte. Denn die Aufnahme in eine Gemeinschaft vollzieht sich nicht nur durch die Ausstattung von politischen Rechten, sondern auch über die Aufnahme in das kollektive Gedächtnis in eben diese Gemeinschaft. Mit „Gastarbajteri“, „Romane Thana“ und „Nach der Flucht“ wurde Geschichte aus der Perspektive von Arbeitsmigrant*innen, Roma und Sinti und Geflüchteten geschrieben. Die Wanderausstellung „Was wir fordern! Minderheitenbewegungen in Österreich“ schließt genau daran an.
Vernetzung
Ein weiteres Charakteristikum der Arbeit der Initiative Minderheiten ist die Vernetzung mit unterschiedlichen Organisationen wie Minderheitenvereinen, Erwachsenenbildungseinrichtungen, Museen, Büchereien, Kultur- und Kunstinstitutionen.
Um die inhaltliche Breite der Organisationen und Institutionen zu zeigen, mit denen wir in den mehr als 30 Jahren zusammengearbeitet haben, sollen diese hier exemplarisch angeführt werden:
Minderheitenorganisationen
bidok – digitale Bibliothek zu Behinderung und Inklusion
Hrvatski centar Beč | Kroatisches Zentrum Wien
Klub slovenskih študentk in študentov (KSŠŠD) | Klub Slowenischer StudentInnen
Hochschüler*innenschaft österreichischer Roma und Romnja
Jüdische österreichische Hochschüler:innen
Bildungs-, Beratungs- und Therapiezentrum Peregrina
Erwachsenenbildung
Österreichische Gesellschaft für Politische Bildung
Verband Österreichischer Volkshochschulen
Roma Volkshochschule Burgenland
Verband Freier Rundfunk Österreich
Museen
Haus der Geschichte Österreich
Zivilgesellschaftliche Organisationen
DÖW – Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes
Omas gegen Rechts Südburgenland
Österreichische Liga für Menschenrechte
Forschungszentrum für historische Minderheiten
Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte
Kunst und Kultur
trafo.K – Forschung und Vermittlung
Institut für Wissenschaft und Kunst
Universitäten
Institut für Erziehungs- und Bildungswissenschaft der Universität Graz
Zentrum für Lehrer*innenbildung der Universität Wien
Institut für Bildungswissenschaft der Universität Wien
Music and Minorities Research Center – Wittgensteinprojekt
Medien
Juridikum – zeitschrift für kritik | recht | gesellschaft
Foto: John Evers
Der Barbara-Prammer-Preis für hervorragende Arbeiten und realisierte Initiativen im Bereich der bürgerschaftlichen Bildung wurde am 24.04.2025 vom Verband der Österreichischen Volkshochschulen an die Initiative Minderheiten verliehen.